Die Küche sieht aus als wäre das komplette Chaos ausgebrochen: Die Spülmaschine quillt über, Wäsche habe ich auch nicht mehr geschafft aufzuhängen. Dafür hat mein Sohn für die nächsten drei Stunden einen detaillierten Zeitplan, was gemacht werden muss (Hausaufgaben) und gemacht werden darf (iPad gucken). Noch ein schneller Kuss, dann renne ich mit einem wehenden Mantel zur S-Bahn. Es ist 18:30, bis vor einer halben Stunde habe ich noch am Rechner gesessen und gearbeitet, jetzt geht es direkt weiter.

Networking. Am Abend. Der Traum eines jeden Entrepreneurs. Ein organisatorischer Albtraum für jede working mom. Mit am Start die große Frage: Lohnt sich der Aufriss überhaupt?

Mein abgesprochenes Zeitfenster drei Stunden, meine anvisierte Mission: die nookees Vision so gut es geht unter die Anwesenden bringen zu können. Dabei so selten wir möglich aufs Telefon gucken zu müssen.

Networking stand bei mir ursprünglich mal so gar nicht auf der Agenda. Als ich Ende 2021 mit nookees im Rucksack von Brasilien nach Deutschland kam, kannte ich den Begriff ehrlich gesagt gar nicht. Und wusste auch nicht, was dahinter steckt. Durch Zufall bin ich auf eine online Plattform gestoßen, auf der (business) Mentoren ihr Wissen kostenfrei weitergeben. Egal ob head of dies oder head of das, nach einer kurzen Email hat man die Möglichkeit auf ein erstes Telefonat und falls es passt auf den weiteren Austausch.

Bei mir hat es direkt mehrmals gepasst, und darüber bin ich sehr dankbar. Denn das Feedback, besonders als single Gründerin ist so unfassbar wichtig. So viele Entscheidungen, so viele Unsicherheiten, so viel Redebedarf. Was für ein Geschenk, jemand Erfahrenes an seiner Seite zu wissen, der öfter mal von außen auf die Querelen im Inneren eines StartUps gucken kann. Und es auch tut.

Denn manchmal besteht Netzwerken leider nur aus leeren Versprechen, oberflächlichen Verheißungen, die am Ende zu nix führen. Gerade in Berlin gibt es unzählige Möglichkeiten fast jeden Abend irgendwo unterwegs sein. Kann ich aber nicht, und will ich auch nicht. Denn: Ein Unternehmen besteht ja noch aus so viel mehr als Abends von Event zu Event zu tingeln. Auch wenn die Versuchung vielleicht da ist, die Auswahl macht den Unterschied. Und natürlich das Setting.

Wer so richtig in die Tiefe gehen mag, wird das beim abendlichen Chin-Chin wahrscheinlich eher nicht finden. Dafür gibt es geschützte Räume, in denen geschlossene Gruppen miteinander in den Austausch gehen. Für mich Netzwerken 2.0. Echte Gespräche, echte Themen, echte Verletzlichkeit und echte Unterstützung. Von Unternehmern mit echten Visionen.

Am Ende macht es wie immer die Mischung: Ein bisschen Oberflächlichkeit gemixt mit tiefer Verbundenheit und Langzeit Engagement. Daraus kann dann ein echtes Netzwerk entstehen. Eines, das für leichte Gespräche genauso gut ist wie für echte Unterstützung. Eines, das einen den Abend versüßen und gleichzeitig den Karren mit aus dem Dreck ziehen kann. So habe ich es mir mittlerweile aufgebaut. Und so macht es für mich auch Sinn.

Als ich gegen 22h nach Hause komme, liest mir Greg in voller Lautstärke aus seinem Tagebuch vor. Die bluetooth Lautsprecher sind genauso aktiv wie mein Sohn. An schlafen hat hier noch niemand gedacht. Willkommen in der Zerrissenheit einer arbeitenden Mutter. Willkommen in der Realität, dass hier morgen früh wahrscheinlich niemand rechtzeitig zur Schule kommen wird. Und willkommen, ihr zahlreichen Visitenkarten in meiner Manteltasche. Ich hoffe sehr, ihr seid das abendliche Chaos wert.
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Janina Breitling: Mutter, Journalistin, Weltenbummlerin, Autorin, CEO & Gründerin von nookees.
2019 macht sie Schluss mit Periodenprodukten voller Plastik und falscher Versprechen. Aus dem Impuls einer unzufriedenen Kundin, entwickelt sie eine völlig neue Technologie – und gründet ihr eigenes StartUp. In Kooperation mit der Toni Garrn Foundation und Viva con Agua setzt sich Janina mit ihrer nookees Foundation gegen Periodenarmut in Entwicklungsländern ein und spendet für jedes verkaufte Produkt an Menschen, die es sich sonst keine Menstruationsprodukte leisten könnten. Sie lebt mit ihrem Sohn in Berlin
und Kapstadt. Mehr Infos unter www.nookees.com